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Veranstaltungen

5. Rheinland-Pfalz-Symposium
und Lehrerfortbildung 2013

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Irgendwas ist anders ...
- Frühgeborene und schulisches Lernen-

Schirmherrschaft: Doris Ahnen
Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz

Downloads

Vortragsdateien der Referenten

+Dr. Franziska Adam-Umbach
"Was erwartet mich bei der Einschulungsuntersuchung?"
(pdf, 328 KB)

- Dr. Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Armin Born
"Schwierige Lerner gezielt unterstützen - Was Eltern, Therapeuten und Lehrer wissen sollten"

- Dr. Dipl.-Psych. Andrea Delius
"Basale Kompetenzen für eine gelungene Schullaufbahn und mögliche Stolpersteine (Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung, Aufmerksamkeitsstörung)"

- Dr. med. Cathrin Schäfer
"Einschulung – eine interdisziplinäre Herausforderung"

+Dipl.-Päd. Kerstin Steinhausen
"Integrationsmaßnahmen" (pdf, 72 KB)

+Prof. Dr. med. Dieter Wolke, Ph.D.
"Impulsreferat: Langzeitauswirkungen der Frühgeburt"
(pdf, 2,0 MB)
>>>"Wenn jede Woche zählt"
(ergänzender Artikel aus der FAZ vom 16.02.14)

Tagungsbericht

von Karin Jäkel, LV "Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz" e.V.

"Irgendwas ist anders" – Frühgeborene und schulisches Lernen
5. Rheinland-Pfalz-Symposium benennt Anforderungen an die inklusive Schule

Unter dem Titel "Irgendwas ist anders – Frühgeborene und schulisches Lernen" fand am 23.11.2013 das 5. Rheinland-Pfalz-Symposium "Kind im Mittelpunkt" des Landesverbandes "Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz" e.V. in Nieder-Olm statt. Etwa 160 Lehrer, Eltern betroffener Kinder, Ärzte und Therapeuten folgten den informativen und anregenden  Vorträgen aus verschiedenen Professionen, die aus ihrem je eigenen Blickwinkel die Situation frühgeborener Kinder im Bildungswesen in den Blick nahmen. In den Aussprachen zwischen den Vortragsblöcken verknüpften die Teilnehmer das Gehörte mit ihren Praxiserfahrungen und zeigten großes Interesse daran, die Situation der betroffenen Kinder angemessen wahrzunehmen und ihre schulische Begleitung möglichst gut zu gestalten.

Ein Grußwort von Frau Kultusministerin Doris Ahnen, die die Schirmherrschaft der Veranstaltung zum wiederholten Male übernommen hatte, überbrachte Eva Caron-Petry, Abteilungsleiterin im MBWWK für Grundsatzfragen der Inklusion im Bildungsbereich.


Impulsreferat

Die "Langzeitauswirkungen von Frühgeburtlichkeit bis ins junge Erwachsenenalter" beleuchtete als Auftakt der Fachvorträge das Impulsreferat des renommierten Wissenschaftlers Prof. Dr. med. Dieter Wolke vom Fachbereich Entwicklungspsychologie der University of Warwick in Großbritannien. Auf der Grundlage verschiedener Langzeitstudien, bei denen u.a. Geburtsjahrgänge bis zum Alter von 26 Jahren nachuntersucht und begleitet wurden (Bayrische Entwicklungsstudie, EPICure-Studie) konnte er aufzeigen, dass eine zu frühe Geburt Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten des Kindes hat. Spezifisch häufiger wurden bei den frühgeborenen Kindern vor allem Probleme in den mathematischen Fähigkeiten beobachtet. Frühchen, die vor der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt kamen, zeigten dies 60mal häufiger als Normalgeborene. Hierbei spielt das Arbeitsgedächtnis die entscheidende Rolle. In Aufgaben, bei denen relativ wenige Informationen gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden müssen, zeigen Frühgeborene ähnliche Leistungen wie reifgeborene Vergleichskinder. Muss jedoch eine Vielzahl von Informationen gleichzeitig verarbeitet werden, um einen komplexen Rechenvorgang durchzuführen, erbringen die Frühchen signifikant schlechtere Leistungen.

Zweimal häufiger fanden Prof. Wolke und seine Mitarbeiter ADS bei Frühgeborenen, wobei es sich nicht um Hyperaktivitäts- bzw. Impulsivitätsstörungen sondern um Aufmerksamkeitsstörungen handelte. Die Betroffenen seien im schulischen Umfeld eher unauffällig und würden daher oft nicht bzw. zu wenig wahrgenommen und unterstützt. Auch für das Auftreten von ADS sei eine höhere Wahrscheinlichkeit bei einer Tragzeit unter 33 Wochen gegeben. Die Aufmerksamkeitsfähigkeit und der IQ-Wert seien die bestimmendsten Faktoren für die Schullaufbahn der Kinder. Bei Kindern, die vor der 33. Woche geboren wurden, steige die Wahrscheinlichkeit, dass sie einer besonderen Förderung bedürften, deutlich an, so Wolke. Jede Woche weniger Zeit im Mutterleib bedeute einen Verlust von 0,3 IQ-Punkten, unter der 33. Woche sogar 2,7 IQ-Punkte. Die Auffassung, dass – nicht anderweitig beeinträchtigte – Frühchen ihren Entwicklungsrückstand bis zur Einschulung aufholten, sei nicht aufrechtzuerhalten, legte Wolke dar.

Als Erwachsene wiesen die ehemaligen Frühchen 3-4mal häufiger Angststörungen auf. Sie seien weniger extrovertiert, würden seltener rauchen, weniger Alkohol oder gar Drogen konsumieren und kämen seltener mit dem Gesetz in Konflikt. Die Beziehung zu den Eltern sei besser als bei den Reifgeborenen gleichen Alters, allerdings hätten die erwachsenen ehemaligen Frühchen seltener Beziehungen mit Partnern aufgebaut und würden weniger Kontakt zu Gleichaltrigen und Cliquen pflegen.

Frühgeborene würden erst im schulischen Umfeld - nicht aber in der Vorschulzeit - überdurchschnittlich häufig Ziel bzw. Opfer von Mobbing, was mehr emotionale Probleme verursache und vermutlich ebenfalls zum verhalteneren Umgang mit sozialen Beziehungen außerhalb der Familie führe.

Als Zusammenfassung gab Prof. Wolke den anwesenden Eltern, Lehrern, Therapeuten und Ärzten wie auch den Vertretern der Politik mit auf den Weg: Die Zusammenschau der vielfältigen Forschungsergebnisse zeige, dass die Frühgeborenen und ihre Familien in besonderem Maße psychologischer und pädagogischer Unterstützung bedürften. Die vorhandenen Versorgungsstrukturen basierten auf etwa 30 Jahre alten Erkenntnissen. Eine Anpassung an aktuelle Forschungsergebnisse sei deshalb dringend geboten.

+Download Vortrag (pdf, 2,0 MB)


Welche Schule für das Kind?

Nach einer wohlverdienten Kaffeepause folgte der Vortragsblock "Welche Schule für das Kind?", der Fragen in Bezug auf Einschulung, Inklusion, sonderpädagogische Förderung und mögliche weitere Unterstützung in den Blick nahm.

Eröffnet wurde dieses Themenfeld mit einem Referat von Dr. Andrea Delius, Diplom-Psychologin an der Rheinhessen-Fachklinik in Mainz, zum Thema "Mögliche Stolpersteine in der Schullaufbahn frühgeborener Kinder". Mehrheitlich normale Verläufe – so erläuterte sie zu Beginn ihrer Ausführungen – seien bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht über 1200 Gramm und einer Gestationszeit über 32 Wochen zu beobachten. Dennoch trügen auch diese Kinder – wenn auch in geringerem Maße als kleinere Frühgeborene – Risiken für ihre somatische, psychomotorische, emotionale und kognitive Entwicklung. Je früher die Geburt allerdings stattgefunden habe, desto höher sei das Risiko für eine Intelligenzminderung. Viele Kinder wiesen jedoch kleinere kognitive Auffälligkeiten oder Teilleistungsstörungen auf.

Im Folgenden ging die Referentin auf die Bedeutung der Teilleistungsstörungen Lese-Rechtschreib-Störung (LRS), Isolierte Rechtschreibstörung und Rechenstörung für die Frühgeborenen intensiver ein. Sie erläuterte die anerkannten Diagnosekriterien und stellte fest, dass 4%-7% aller Schulkinder eine Lese-Rechtschreib-Störung aufweisen, wobei Jungen deutlich häufiger betroffen sind als Mädchen. Oft trete ein AD(H)S als Co-Morbidität auf, manchmal sei dies sogar die zugrundeliegende Störung, sodass mit der Behandlung des AD(H)S die Symptome der (vermeintlichen) LRS verschwänden. Kinder, die eine diagnostizierte Lese-Rechtschreib-Schwäche aufweisen, stehen in der Gefahr, eine seelische Behinderung zu entwickeln. Ihre gesellschaftliche Teilhabe ist gefährdet, was sich oft in Schulangst, Aggression, Depression oder Somatisierungen (z.B. Bauch- und Kopfweh ohne körperliche Ursachen) ausdrückt.

Nachdem sie die Symptome einer Lese-Rechtschreib-Störung und einer Rechenschwäche erläutert hatte, stellte die Psychologin fest, dass auch Kinder mit einer Rechenschwäche in erheblicher Gefahr stehen, eine seelische Behinderung zu entwickeln.
Im Hinblick auf AD(H)S bei Frühgeborenen beschrieb Dr. Delius, dass es sich dabei besonders um Störungen der Aufmerksamkeit handele, während Hyperaktivitäts- und Impulsivitätsauffälligkeiten bei den zu früh Geborenen weniger beobachtet würden. Durchschnittlich 5% aller Kinder sind von AD(H)S betroffen. Für Frühgeborene besteht ein erhöhtes Risiko, welches wiederum zunimmt, je geringer die Zeit war, die das Kind im Mutterleib verbracht hat.

Als letzten Schwerpunkt ihres Referats thematisierte Dr. Delius die Auswirkungen der Frühgeburt auf die psychische Entwicklung der frühgeborenen Kinder. Sie berichtete, dass die Frühgeborenen oft Fürsorge, Schutz und Unterstützung "in maximaler Ausprägung" von ihren Eltern erführen, was ihre Entwicklung vielfach sehr günstig beeinflusse. Wenn es später in der Adoleszenz jedoch wichtig sei, dass eine Autonomieentwicklung einsetze, machten aber gerade diese Kinder oft weniger Selbstwirksamkeitserfahrungen. Häufig träten Somatisierungserscheinungen auf, weil die Kinder es gewohnt waren, dass die Eltern ihnen einen Schutzraum boten. Eine Ablösung von den Eltern sei erschwert. Die ehemaligen Frühchen wiesen ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen auf. Gleichwohl beschrieb die Psychologin eine sichere Eltern-Kind-Beziehung als einen Schutzfaktor, der die Resilienz (= Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Einflüssen) des frühgeborenen Kindes stärke und den Einfluss belastender Faktoren abmildern oder ausgleichen könne. Wichtige Schutzfaktoren seien u.a. Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserfahrungen sowie positive Erfahrungen im Bildungssystem.

Im Anschluss erläuterte Schulärztin Dr. med. Franziska Adam-Umbach die Frage "Was erwartet mich bei der Schuleingangsuntersuchung?". Vorausschickend stellte sie dabei fest: Die Funktion des Arztes in der Schuleingangsuntersuchung sei die eines objektiven Beobachters.
Rechtliche Grundlage für die Einschulung in Rheinland-Pfalz sind die §§ 10-15 der dortigen Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen vom 10. Oktober 2008. Der in § 13 beschriebene Ablauf "Auf Antrag der Eltern kann die Schulleiterin oder der Schulleiter im Benehmen mit der Schulärztin oder dem Schularzt schulpflichtige Kinder aus wichtigem Grund vom Schulbesuch zurückstellen." meint in der Praxis, dass der Schularzt eine Empfehlung ausspricht und die Entscheidung über eine mögliche Rückstellung dann vom Schulleiter in Abstimmung mit der Schulbehörde getroffen wird, erklärte Dr. Adam-Umbach.

Anhand eines Fallbeispiels aus ihrer eigenen Tätigkeit schilderte die Referentin, wie wichtig bei der schulärztlichen Entwicklungsbeurteilung - vor allem wenn es um frühgeborene Kinder geht - ein interdisziplinärer Austausch ist. Bei der Schuleingangsuntersuchung des im Fallbeispiel vorgestellten frühgeborenen Mädchens fand ein Gespräch zwischen der Kindertagesstätte, den Eltern und der Schulärztin statt, an dem zusätzlich noch der behandelnde Kinderarzt, der Schulleiter und ein Vertreter der Schulbehörde teilnahmen. Bei der Entscheidungsfindung wurde - wie vom Landesverband "Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz" e.V. mit dem Ministerium vereinbart - der errechnete Geburtstermin des Kindes berücksichtigt und letztlich eine Rückstellung ausgesprochen. Im Folgejahr wies das Mädchen bei der Schuleingangsuntersuchung einen Normalbefund auf und wurde regulär eingeschult.
+Download Vortrag (pdf, 328 KB)

Dem Thema "Einschulung - eine interdisziplinäre Herausforderung" widmete sich auch der Vortrag von Dr. med. Cathrin Schäfer von der Rheinhessen-Fachklinik in Mainz. Sie nahm hierbei besonders die Einschulung von beeinträchtigten Kindern in den Blick. Während sich bei Kindern ohne Beeinträchtigung "nur" Eltern, Kita, Schularzt und Pädagogen über den Entwicklungsstand des Kindes verständigen müssten, sollte man bei Kindern mit besonderem Förderbedarf unbedingt alle Professionen, die das Kind betreuen sowie die Kostenträger einbeziehen.

Pro Jahr würden in Rheinland-Pfalz etwa 3000 Frühgeborene schulpflichtig, darunter etwa 300 ehemalige Extremfrühgeborene. Studien zeigen, dass diese sehr kleinen sog. Extremfrühgeborenen sowohl in mathematischen Tests als auch in Lese- und Sprechtests sowie in ihren Aufmerksamkeitsleistungen schlechter abschneiden als die Normalgeborenen. Für den Übergang in die Schule sowie für die ersten Schuljahre gab Dr. Schäfer den Eltern mit auf den Weg, ihre frühgeborenen Kinder sensibel zu beobachten und besonders auch bei emotionalen Auffälligkeiten wachsam zu sein. Sie sollten ihre Kinder einfühlsam in ihren Lernfortschritten unterstützen und sich dabei vor allem von den Bedürfnissen des Kindes leiten lassen. Die Lehrer bat sie, Besonderheiten der Kinder angemessen zu berücksichtigen. Wenn eine Zusammenarbeit mit Sozialpädiatern bestehe, z. B. wegen eines Entwicklungsrückstandes oder auch eines AD(H)S, sollten die Pädagogen darauf achten, den Ärzten möglichst zeitnah eine Rückmeldung bzgl. des Schülerverhaltens zu geben, um rechtzeitig gegensteuern zu können.
An die Entscheidungsträger richtete die Ärztin den Wunsch, dass ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Besonders wichtig sei es, festgestellten Förderbedarf auch rasch umzusetzen.

Unterstützung für beeinträchtigte Schulkinder war auch das Thema des Vortrags
"Integrationsmaßnahme Schulassistenz", den Dipl.-Päd. Kerstin Steinhausen vom Club Aktiv Trier anschloss. Rechtlich begründet ist Schulassistenz sowohl durch § 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche im Sinne der Gleichstellung) als auch durch § 54 SGB XII (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen). Anspruch auf eine Schulassistenz besteht bei Beeinträchtigungen, die länger als 6 Monate anhalten, wenn sie die Teilhabe des Kindes am sozialen Leben beeinträchtigen oder dies zu erwarten ist. Eine weitere Bedingung ist, dass die Schule oder der Kindergarten eine angemessene Unterstützung nicht gewährleisten kann.

Hilfe nach SGB XII umfasst pflegerische Leistungen wie Hilfe bei Toilettengängen, Umlagerungen und Windelversorgung. Hilfe bei lebenspraktischen Tätigkeiten wie beim Aus- und Ankleiden, bei Raumwechsel und Nahrungsaufnahme gehören ebenso dazu wie Unterstützung im schulischen Freizeitbereich, also in Pausen- und AG-Zeiten sowie an Wandertagen oder bei Schulfesten. Die Hilfe wird nach einem individuellen Hilfeplan geleistet. Die Unterstützung im Unterricht kann man in direkte Hilfen und indirekte Hilfen untergliedern. Direkte Hilfen sind z. B. intensivere Ansprache des Schülers oder die Verdeutlichung von Arbeitsaufgaben, indirekte Hilfen sind z. B. Vernetzungstätigkeiten zwischen den Eltern, der Schule, dem Schulassistenten und dem Träger der Integrationsmaßnahme. Pädagogische Tätigkeiten sind nicht Aufgabe dieser Schulassistenten. Für diese Art der Schulassistenz sollen geeignete Personen ausgewählt werden. Nur in Ausnahmefällen wird für eine Maßnahme nach SGB XII eine pädagogische Fachkraft bewilligt.

Für Hilfen nach SGB VIII sind dagegen möglichst Fachkräfte einzusetzen. Diese sollen das beeinträchtigte Kind im Unterricht im Lerngeschehen und in der Kommunikation mit seinem schulischen sozialen Umfeld unterstützen. Das Umsetzen des Nachteilsausgleichs sowie die Zusammenarbeit mit Therapeuten gehört ebenso zum Arbeitsfeld eines Schulassistenten nach SGB VIII. Für diese Tätigkeiten sollte möglichst eine langfristige Bezugsperson zuständig sein.
Eine Integrationsmaßnahme nach SGB VIII oder SGB XII kann vom Sorgeberechtigten formlos beim örtlichen Träger der Sozial- oder Jugendhilfe beantragt werden. Eltern sollten einen solchen Antrag frühzeitig stellen, da man eine gewisse Bearbeitungszeit einplanen muss. Den Eltern steht ein Wunsch- und Wahlrecht bei der Auswahl des Leistungsträgers und des Schulassistenten zu, denn schließlich wird man sehr eng über längere Zeit zusammenarbeiten. Eltern können auch selbst als Arbeitgeber auftreten, wenn ein persönliches Budget vereinbart wurde.
+Download Vortrag (pdf, 72 KB)

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Gelegenheit zu Austausch und persönlichen Gesprächen bot nun die Mittagspause, während der die Teilnehmer sich zudem an Ständen verschiedener Aussteller informieren oder pädagogische Fachliteratur erwerben konnten. Im Tagungsraum selbst lud die Ausstellung Über|Leben von zu früh geborenen Kindern des Fotografen Walter Schels ein, der einzelne Frühgeborene während ihrer ersten Lebenswochen sowie später im Alter von zwei Jahren mit der Kamera festgehalten hatte. Diese künstlerischen Arbeiten, die vom Bundesverband "Das frühgeborene Kind" e.V. in Auftrag gegeben wurden und dort als Wanderausstellung entliehen werden können, visualisierten das Thema Frühgeburt für die Tagungsbesucher aus einem nochmals anderen Blickwinkel.


Grundlagen des Lernens 

Der frühe Nachmittag startete, wie es auch der Vormittag getan hatte, mit der Thematik des weniger leistungsfähigen Arbeitsgedächtnisses bei Frühgeborenen. Passende Lehr- und Lernmethoden für diese Kinder stellte Dr. Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Armin Born unter dem Titel "Schwierige Lerner gezielt unterstützen - Was Eltern, Lehrer und Therapeuten wissen sollten" vor.

Eine wichtige Grundlage erfolgreicher Unterstützung von Kindern mit Lernproblemen sei es, den Einpräge- und Behaltensprozess aus der Perspektive der Lernpsychologie und der Gehirnforschung zu betrachten, erklärte er. Beim Vorliegen einer Lernschwäche setze sich ein Teufelskreis in Gang, der von individuell ungünstigen Voraussetzungen wie Aufmerksamkeitsstörungen, feinmotorischen Problemen und/oder einer Arbeitsgedächtnisschwäche angestoßen würde. Am Ende stehe die Überzeugung des Schülers "Ich bin dumm.", welche sich in resignativ-passivem oder aggressiv-aktivem Verhalten zeigen könne. Anhand des Drei-Speicher-Modells stellte Dr. Born daraufhin Grundzüge der Lerntheorie dar, welche Schüler, Eltern und Lehrer kennen sollten. Im Einprägeprozess müssten Informationen jeweils für 2-3 Sekunden wachgehalten werden, um sie ein erstes Mal im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Danach seien noch mehrere Wiederholungen nötig, um das Gelernte dauerhaft behalten zu können. Kinder ohne Beeinträchtigung könnten im Arbeitsgedächtnis nur etwa 5 Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten, Frühgeborene entsprechend weniger. Wird der Arbeitsspeicher überlastet, "wirft er wahllos einige der Informationen raus".

Anhand der Vergessens- bzw. Behaltenskurve zeigte der Referent, wie sich je Wiederholungstag die Behaltensmenge von Gelerntem erhöht, wobei er darauf hinwies, dass Kinder mit Lernproblemen mehr Wiederholungen bräuchten, um ihren Lernertrag zu bewahren. Es sei u.a. für diese Schüler sehr anschaulich, ihnen den Effekt des Wiederholens anhand des "Wachstums" der Synapsen nahezubringen, welche sich verdicken, je häufiger der jeweilige Reizweiterleitungsweg aufgerufen und benutzt wird.

Beim Einprägen eines neuen Lerngegenstands würden im Gehirn viele verschiedene Areale aktiviert, erklärte der Referent. Ziel des Lernens sei allerdings die Automatisierung des Gelernten, die dann erreicht sei, wenn das Gehirn das Gelernte beherrscht, d.h. zum Abruf des Lerninhalts nur noch wenige Areale aktivieren müsse und somit wieder freie Kapazität für neu zu Lernendes vorhanden sei.

Bei manifesten Lernproblemen sollten Lehrer und Eltern die "Misserfolgstreppe" durch eine Erfolgsspirale ersetzen. Dazu gehöre, dass die Treppenstufen, also die Anforderungen des Lernprozesses, so gestaltet sein müssten, dass sie auch erfolgreich bewältigt werden könnten. Auf diese Weise könnte das Selbstwertgefühl eines lernschwachen Schülers behutsam gestärkt werden, er würde durch Selbstwirksamkeitserfahrungen wieder eine Erfolgszuversicht entwickeln können, was eine wesentliche Grundlage für Lernerfolg sei.

Um den Lernprozess von Schülern mit einem weniger leistungsfähigen Arbeitsgedächtnis positiv zu unterstützen, gab der Referent konkrete praxiserprobte Empfehlungen. Wie ein Arbeiten mit diesen Grundlagen in der Praxis im Rechnen, Lesen und Schreiben aussehen kann, erläuterte Dr. Born in seinen folgenden Ausführungen, die er zum Teil mit praktischen Demonstrationen verband. In allen Bereichen legte er dabei sein Augenmerk auf das Erreichen der Automatisierung des jeweils relevanten Faktenwissens, das grundlegend sei, damit die Schüler sich in den folgenden Schuljahren darauf aufbauenden komplexeren Aufgaben stellen könnten. Im Blick hatte er bei seinem erfolgreichen praxiserprobten pädagogischen Konzept immer Kinder mit Lern- und/oder Aufmerksamkeitsstörungen.

So verwarf er im Rechnen z.B. die Methode, das 1x1 mit Hilfe von Kernaufgaben zu lernen, von denen ausgehend die Kinder sich die weiteren Ergebnisse rechnend erschließen sollen. Hier sei es besser, den Weg zur "direkten Verdrahtung" der Nervenbahnen z.B. durch Einprägen von Kärtchen einer Lernkartei konsequent nach dem oben beschriebenen Muster zu verfolgen. Wichtig sei es, den Kindern immer wieder bewusst zu machen, was sie schon können, um sie aus der Misserfolgsspirale zu befreien.

Gängige Fördermaßnahmen im Mathematikunterricht unterzog der Referent einer kritischen Betrachtung. Im Leselernprozess bestünde das Lernziel des hochautomatisierten Lesens im Wesentlichen aus einer automatisierten Wortformerkennung. Um diese zu erreichen, empfahl er, ein Leselernkonzept zu wählen, welches von vorneherein mit Silben, also leicht einprägbaren Wortbausteinen, arbeitet. Auch hier gab er hilfreiche Tipps für Eltern. Analog bewertete Dr. Born im Erlernen des Rechtschreibens die Methode des Wortaufbaus als zu komplex für Kinder mit Lernschwächen. Auch der Weg über das lautliche Differenzieren führe oft nicht zum Erfolg, vor allem nicht in Gegenden mit mundartlicher Sprachfärbung. Stattdessen befürwortete er die Methode des gedanklichen "Abfotografierens" der Wortform, für deren Aneignung er ebenfalls eine Lernkartei empfahl. Am Ende seines Vortrags stellte der Psychologe und Pädagoge dem eingangs beschriebenen Teufelskreis der Misserfolgsspirale einen sog. Engelskreis gegenüber, den es anzuschieben gelte. Kindern mit schon manifesten Misserfolgserfahrungen müsste mit passgenauen, klar strukturierten einfachen Aufgaben Erfolge ermöglicht werden, um ihre negativen Erfahrungen und emotionalen Blockaden aufzulösen.


Roundtable-Gespräch

"Interdisziplinäre Zusammenarbeit - Voraussetzung für den schulischen Erfolg? Die Rolle der Politik" lautete schließlich der Titel der Podiumsdiskussion, die die vielfältigen Ergebnisse der Fachvorträge aufnahm. Moderiert von der SWR-Journalistin Sabine Stöhr, die bereits kompetent und engagiert durch das Vortragsprogramm geführt hatte, diskutierten die Referentinnen Kerstin Steinhausen (Club Aktiv Trier) und Dr. Cathrin Schäfer (Rheinhessen-Fachklinik Mainz und LV) sowie Karin Jäkel (LV) mit Dipl.-Psych. Achim Aschenbach vom Schulpsychologischen Beratungszentrum Kirchheimbolanden und der Grundschulreferentin des MBWWK Waltraud Bank. Auch viele der teilnehmenden Grundschul- und Förderpädagogen nutzten die Gelegenheit, den Vertretern der Politik ihre Praxiserfahrungen zu schildern. Die Grundschulreferentin und der Schulpsychologe erinnerten daran, dass die Inklusion in Rheinland-Pfalz erst im Aufbau begriffen sei und man bisher nur erste, aber dennoch wegweisende Strukturveränderungen auf den Weg gebracht habe, die nun nach und nach ausgeweitet würden.

So sei z. B. ein eigenes Referat Inklusion im Ministerium eingerichtet worden. Auch sei eine Autismusberatung im Rahmen des Schulpsychologischen Dienstes abrufbar. Viele Pädagogen seien engagiert dabei, die inklusive Schule voranzubringen und müssten nun fortgebildet werden. Von Lehrerseite wurde hierzu ergänzt, dass darüber hinaus eine deutliche Aufstockung der personellen und finanziellen Ressourcen nötig sei, um eine angemessene individuelle Förderung aller Kinder gewährleisten zu können. Mangelnde Konstanz in der Schulbegleitung wurde ebenso als zu behebende Schwierigkeit angesprochen wie die langen Wartezeiten, die beim Installieren einer passgenauen sonderpädagogischen Förderung auftreten, weil verschiedene zuständige Institutionen mit ihren je eigenen Organisationsstrukturen zusammen kommen müssen. Auch die Frage nach dem Einbinden von Therapeuten in die inklusive Schule wurde aufgeworfen.

Grundschulreferentin Waltraud Bank bedankte sich schließlich für die vielen Impulse, die sie für ihre Arbeit gewinnen konnte. Der Vorsitzende des Landesverbandes "Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz" e.V., Hans-Jürgen Wirthl, dankte in seinen Schlussworten zudem den ausnahmslos sehr engagierten Teilnehmern, Referenten und Diskutanten und versprach, die Anregungen und Erkenntnisse aus dem Symposium, vor allem auch die der Podiumsdiskussion, aufzunehmen und in der Zusammenarbeit mit dem Ministerium weiterzuverfolgen.
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