Veranstaltungen
7. Rheinland-Pfalz-Symposium
und Lehrerfortbildung 2019

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Mitgliedschaft
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Früh geboren - stark werden: Wer kann wie unterstützen?
Schirmherrschaft: Dr. Stefanie Hubig
Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz
Downloads
+Flyer Fortbildung für Lehrkräfte
(pdf, 1,8 MB)
+Flyer Symposium
(pdf, 650 KB)
+Poster Fortbildung für Lehrkräfte
(pdf, 840 KB)
+Poster Symposium
(pdf, 810KB)
+Programm und Referenten
(pdf, 33 KB)
Vortragsdateien der Referenten
+Dr. Dipl.-Psych. Mauri Fries
Impulsreferat: "Auf dem Weg zur Resilienz – Regulation und Bindung: Voraussetzung für die Entwicklung von Frühgeborenen?", (pdf, 400 KB)
+Hans-Jürgen Wirthl
"Nachsorge und Nachbetreuung von Frühgeborenen bis ins Schulalter Konsenspapier Rheinland-Pfalz –
Noch auf der Intensivstation geht´s los!", (pdf, 2330 KB)
+Dipl.-Psych. Nina Schmahl-Menges
"Entwicklungs-/Resilienzfördernde Begleitung im familiären Alltag - Was Eltern tun können", (pdf, 465 KB)"
+Karin Jäkel, OStR’ i.Pr.
"Basale Kompetenzen für eine gelungene Schullaufbahn – Welche Möglichkeiten haben Lehrer?", (pdf, 1180 KB)
+Dipl.-Psych. Jennifer Lang
"Es läuft nicht glatt – was tun?", (pdf, 860 KB)


Tagungsbericht
von Karin Jäkel, LV "Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz" e.V.
Früh geboren – stark werden: Wer kann wie unterstützen?

Stark werden für’s Leben sollen alle Kinder. Wie dies auch Frühgeborenen möglichst gut gelingen kann, erörterten die Teilnehmer des 7. Rheinland-Pfalz-Symposiums „Kind im Mittelpunkt“, welches der Landesverband „Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz“ e.V. am 16.11.2019, einen Tag vor dem Weltfrühgeborenentag 2019, in Nieder-Olm ausrichtete. Die Schirmherrschaft für diese interdisziplinär angelegte Veranstaltung war von der Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, Frau Dr. Stefanie Hubig, übernommen worden. Betroffene Eltern vernetzten und berieten sich bei dieser Tagung engagiert mit erfahrenen Psycholog*innen, Ärzt*innen, Therapeut*innen, Erzieher*innen und Lehrer*innen darüber, wie eine gute Unterstützung frühgeborener Kinder und ihrer Familien gestaltet und umgesetzt werden kann.

Schon am Vortag hatte Dr. Dipl.-Psych. Mauri Fries in einer ganztägigen Lehrerfortbildung die Lehrkräfte dafür sensibilisiert, dass Schulkinder mit ehemals traumatisierenden Erfahrungen, wie sie Frühgeborene oft im Rahmen der intensivmedizinischen Versorgung erleben, sich bestimmte daraus resultierende dauerhafte Verhaltens- und Reaktionsmuster angeeignet haben. Fight, flight oder freeze können solche Schutzreaktionen sein, die das Autonome Nervensystem in Millisekunden wachruft, während es die kognitiven Funktionen gleichzeitig ausschaltet. So kann es sein, dass aus nicht nachvollziehbarem Anlass ein Kind blitzschnell wütend „an die Decke geht“ oder verängstigt „unter den Tisch kriecht“ und in diesem Moment keiner vernünftigen Argumentation zugänglich ist. Diese Verhaltensweisen als erlernte Schutzreaktion zu sehen, ermutigte die auch psychotherapeutisch arbeitende Referentin die anwesenden Pädagogen. Eine feinfühlige Beobachtung und Begleitung der Kinder könne schon mit ganz schlichten und basalen Mitteln gelingen, machte sie deutlich. So sei es wichtig, den Kindern z.B. Orientierung zu geben oder ihnen Wahlmöglichkeiten in angemessenem Umfang einzuräumen, um die Sicherheit und Verlässlichkeit zu schaffen, die sie benötigen, um entspannt die Aufgaben des Schulalltags angehen zu können.
Im einführenden Impulsreferat des Symposiums vertiefte Dr. Dipl.-Psych. Fries die Thematik des Vortages. Neben den bedeutsamen Ergebnissen der Bindungstheorie verwies sie auf die Aussagen der Polyvagaltheorie von Stephen Porges, welche drei Ebenen des Autonomen Nervensystems beschreibt. Auch hier stellte sie u.a. wieder den Einfluss der Co-Regulation heraus, durch welche eine Bezugsperson der überschießend reagierenden Person zur besseren Selbstregulation helfen kann. Eltern, Erzieher und Lehrkräfte sollten entsprechend an ihrer eigenen guten Regulation arbeiten, um Frühgeborenen angemessene Unterstützung geben zu können.

Dass und warum die Nachsorge und Nachbetreuung frühgeborener Kinder bis ins Schulalter notwendig ist , zeigte der Vorsitzende des LV Hans-Jürgen Wirthl im darauffolgenden Vortrag, in welchem er das Konsenspapier „Geregelte Nachbetreuung von Frühgeborenen und Reifgeborenen mit Entwicklungsrisiken in Rheinland-Pfalz“, welches maßgeblich vom Landesverband „Früh- und Risikogeborene Kinder Rheinland-Pfalz“ e.V. angestoßen und auf den Weg gebracht wurde, in seiner Bedeutung und Genese vorstellte. Eine solche gute weitere Begleitung sollte in Rheinland-Pfalz eigentlich längst als Standard umgesetzt sein, berichtete er. Im Plenumsgespräch, welches der Darstellung folgte, zeigte sich jedoch, dass hier noch erheblicher Evaluations- und Handlungsbedarf besteht.
Resilienzfördernde Begleitung ... in der Kita
Wie resilienzfördernde Begleitung in der Kita und im familiären Alltag aussehen kann, stellten in der Folge Toni Luy und Dr. Dipl.-Psych. Nina Schmahl-Menges vor. Der Bad Kreuznacher Heilpädagoge betonte die Wichtigkeit basaler Interaktionserfahrungen der Kinder und sprach sich für eine bewusste und spürbar wertschätzende Kommunikation aus, in der das Kind sowohl Anleitung erfährt als auch die Situation selbst gestalten kann.

... im familiären Alltag
Dipl.-Psych. Nina Schmahl-Menges beschrieb anschließend, welche grundsätzlichen Fähigkeiten die Resilienz eines Kindes umfassen. Neben dem Bewältigen von Stress, Belastungen und alltäglichen Herausforderungen benannte sie dabei als wesentliche Faktoren auch die Problemlösefähigkeit, den Respekt gegenüber anderen und gegenüber sich selbst im sozialen Miteinander sowie das Ertragen und Verarbeiten von Enttäuschungen. Besonderes Augenmerk legte sie darauf, dass den Kindern eine positive Selbstwahrnehmung ermöglicht werden sollte.


Nach dem wohlverdienten Mittagessen widmeten sich die Gymnasiallehrerin und Frühchenmutter Karin Jäkel sowie die Schulpsychologin Dipl.-Psych. Jennifer Lang der Frage, wie ehemalige Frühgeborene die Anforderungen des schulischen Lernens meistern können. Zu Beginn erläuterte die Pädagogin, welche Möglichkeiten Lehrende haben, auf besondere Wahrnehmungs- und Konzentrationsschwierigkeiten, wie sie bei manchen Frühgeborenen vorliegen können, mit didaktischen und methodischen Mitteln zu reagieren. Sie griff zugleich auf einige Inhalte ihrer Vorredner*innen zurück, indem sie eine gute Beobachtung und wertschätzende Begleitung der Kinder einforderte. Ihnen genügend Zeit zum Erwerben der Lerninhalte einzuräumen, sei nicht selten mit den Zeitvorgaben der etablierten Schulformen unvereinbar. Eine gute Zusammenarbeit der Lehrkräfte mit den Eltern sei jedoch unbedingt anzustreben. Beide Seiten müssten sich gegenseitig unvoreingenommen als gutgesinnte Begleiter des Kindes anerkennen.
Es läuft nicht glatt – was tun?

Roundtable-Gespräch: Und jetzt?
Der anspruchsvollen Aufgabe, am Ende eines Tages, der mit vielen wegweisenden und anregenden Gedanken aus Theorie und Praxis mit frühgeborenen Kindern prall gefüllt war, die Ergebnisse zu bündeln und den Blick auf anstehende Aufgaben zu richten, stellte sich Franziska Lenhardt, Redakteurin beim SWR, die die Veranstaltung schon von Beginn an als geschickte und versierte Moderatorin begleitet hatte. In einem Round-Table-Gespräch erörterte sie mit dem Vorsitzenden der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, der leitenden Ärztin des Sozialpädiatrischen Zentrums der Kreuznacher Diakonie Dr. Cathrin Schäfer sowie den Referentinnen Jäkel und Lang die Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen zu optimieren, welche Frühgeborene und ihre Familien v.a. im Bildungswesen vorfinden. Dass der Anspruch, Chancengleichheit auch für unterschiedlich beeinträchtigte Schüler*innen herzustellen, in der Schulpraxis oft nicht zufriedenstellend umgesetzt wird, wurde dabei ebenso angesprochen wie die Tatsache, dass sowohl in der Bildung als auch in der entwicklungsdiagnostischen und -fördernden Begleitung von Risikokindern personelle und finanzielle Ressourcen in erheblichem Ausmaß fehlen. Verbandsarbeit in der Selbsthilfe sei daher ein unbedingtes Muss, darin waren sich alle Podiumsteilnehmer*innen einig, um Fehlentwicklungen publik zu machen und bessere Bedingungen einzufordern, damit auch früh- und risikogeborene Kinder zu starken Erwachsenen werden können.


